Lichtworte

Bote מלאך

20. Dezember 2013

Als ich ihn sehe, weiß ich sofort: Ich bin zurück. In meiner Heimat, meinem Bullerbü.
Den Mann ohne Namen, aber mit einem Gesicht, auf dem sich immer ein Lächeln findet kenne ich seit Kindertagen. Er gehört dazu. Ist nicht wegzudenken.
Der Postbote in seiner blau-gelben Wind-und-Wetter-Jacke, mit dem Posthorn darauf.
Mit seinem Fahrrad ist er unterwegs um Päckchen und Briefe in Briefkästen zu schieben.
Jeden Tag. Ob bei Regen, Hitze oder Schnee. Ohne Furcht vor bissigen Hunden.
Ohne Anzeichen von Erschöpfung. Er sieht so aus, als wäre er gerne Bote.
Als 8-jährige war ich sogar ein bisschen verliebt in ihn. Weil er mich auf meinem Schulweg immer gegrüßt hat und ich mich ernst genommen gefühlt habe. Auch mit acht Jahren schon.

Heute stehe ich hinter der sonnenbeschienenen Scheibe und beobachte ihn.
Äußerlich hat er sich in all den Jahren kaum verändert. Vielleicht durchziehen inzwischen ein paar graue Strähnen sein dunkles Haar. Aber so nah, dass ich das wirklich sehen könnte, war ich ihm noch nie.

Er spielt eine Nebenrolle in meinem Leben. Und doch eine tragende.
Als Bote war er es, der mir Worte ins Haus trug, während ich groß wurde.
Gute Nachrichten.Weihnachtspost. Liebesbriefe.
Todesanzeigen. Absagen. Abschiedsbriefe.

Er kann sich nicht aussuchen, welche Neuigkeiten er den Menschen täglich in den Briefkasten wirft. Er ist nur der Bote.
Aber auf Hebräisch bedeutet das Wort „mal’ach“ gleichermaßen Bote und Engel.
Für mich ist er ein Heimatengel.

Worte: Hanna Buiting | Bild: Stephanie Winterhager

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