Weltworte

Boten des Unglücks

2. Juli 2014

„Flüchtlinge sind Boten des Unglücks“, hat Bertolt Brecht einmal gesagt. Er ist seit über 50 Jahren tot, seine Worte aber sind es nicht. Sie sind aktueller denn je.
Denn das Unglück hat niemand gerne vor der eigenen Haustür, nicht im eigenen Späti, nicht auf dem eigenen Schulhof. Besonders die Politik nicht.

An der Schaufensterscheibe des Cafés bei uns nebenan hängt ein bemaltes Bettlaken. „Solidarität mit der Ohlauer Straße“, steht darauf.

In der Ohlauer Straße in Berlin-Kreuzberg leben seit 2 Jahren illegale Flüchtlinge. Die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule ist ihnen ein Zufluchtsort geworden. Ein Rettungsboot. Vielleicht ein Zuhause. Ganz sicher Hoffnungsanker auf ein Bleiberecht.

Doch das alles nur auf Zeit. Sie werden nicht länger geduldet. Die Geduld der Berliner Bezirksvertretung ist am Ende. Ihr Ultimatum abgelaufen. Abzug oder Zugriff? Weil die Politik keine Lösung weiß, findet die Polizei eine. Und will räumen.

In Kreuzberg: Ausnahmezustand.
Menschen versammeln sich. Solidarisieren sich. Demonstrieren. Erheben wütend ihre Stimme gegen die Polizei. Anwohner werden kontrolliert. Müssen sich rechtfertigen: Sind Sie Komplizen des Unglücks?

„Selbst wenn wir hier enden und sterben: Wir haben nichts zu verlieren“, sagt ein Mann dunkler Hautfarbe in die Kamera der Tagesthemen. Er ist ein Flüchtling und hat längst mehr gesehen, als ein Menschenleben verträgt. Er will nur noch bleiben dürfen.

Flüchtlinge sind Boten des Unglücks. Weil sie uns zeigen, wie sehr sich Glück verkehren kann. Und wir einfach nicht wegschauen können.
Nicht wegschauen dürfen.

 


Worte: Hanna Buiting | Bild: Charlotte Viefhaus

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