Lichtworte

Wunder

4. Dezember 2013
Am Wochenende habe ich Sabine kennengelernt.
Sabine ist Hebamme, seit fast 20 Jahren. „Mein Traumberuf“, sagt sie und erzählt.
Von Wunschkindern und starken Frauen, von ungewollten Schwangerschaften und schwierigen Entscheidungen. Vom Wunder des Lebens.
Sie erzählt von einer 14-jährigen, die im Kreißsaal erleichtert davon spricht, dass sie gerade noch rechtzeitig ihr Kinderzimmer umgeräumt hat. Damit Platz ist- für das Baby. Sie sagt tatsächlich „mein Kinderzimmer“.

Und dann gibt es da diese junge Frau, die Sabine besonders in Erinnerung geblieben ist: Sie liegt in den Wehen, Schmerz verzieht ihr Gesicht. Es ist ihr erstes Kind und sie möchte keine Schmerzmittel bekommen, alles ganz alleine schaffen. Sie bleibt ganz ruhig und doch sehr bestimmt: Sie will jeden Moment spüren. Den Schmerz, sich und ihr Kind. „Anfangs fand ich sie ein bisschen schräg“, schmunzelt Sabine. „Aber dann lag das Neugeborene wie hingegossen auf der Brust seiner Mutter und es war völlig klar, dass es in diesem Moment auf der ganzen Welt keinen schöneren Platzhätte geben können. Wie ein Gemälde von Gauguin sahen die beiden aus.“ Sabine lächelt.

Meistens sind Geburten freudige Ereignisse. Auf ungeheuren Schmerz folgt das größte Wunder. Aber dann gibt es auch immer mal wieder Frauen, die
wollen ihr Baby nicht sehen, weil sein Herzchen nicht schlägt, weil es viel zu klein ist um zu leben, weil es zu weh tut, das Menschenkind anzusehen, das das Licht der Welt nie lebend erblickt hat. „Aber genau das ist wichtig“, sagt Sabine und ihre Stimme wird ganz weich. „Damit man Abschied nehmen kann und damit ganz klar ist, dass das Baby kein Monster war.“
Was Sabine erzählt, berührt mich. Ich stelle mir vor, wie schön es ist, von ihr bei einer Geburt begleitet zu werden. Weil sie jede Frau annimmt, mit ihrer Geschichte, mit ihren Sorgen, Ängsten und ihrem Schmerz, mit ihrer Freude.
Und ich denke an Maria, die junge Frau aus Nazareth, die eigentlich viel zu jung für ein Baby war und die dieses Wunder doch annehmen konnte.

 


Worte: Hanna Buiting | Bild: Charlotte Viefhaus – www.charlottes-augenblicksammlung.blogspot.de

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