Herzworte

Sitznachbarn

27. März 2016

Zu Ostern sind wir alle beisammen. Auf dem Tisch steht dampfend eine Ofensuppe. Die Tulpen blühen und der Schokohase trägt Glöckchen. Vor fünf Tagen sind in Brüssel Bomben explodiert und Menschen ums Leben gebracht worden. Vor vier Tagen im Irak . Vor drei Tagen in Pakistan. Und dann komme ich auch schon durcheinander. Wird der Terror schon normal? Thema ist er jedenfalls auch an unserer Familienfesttafel. „Habt ihr Angst?“, fragt mein Onkel. Alle schütteln den Kopf. Angst? Nein. Denn statistisch gesehen… Wahrscheinlich ist es nicht… Es gäbe ganz andere Gelegenheiten zu sterben.

Und trotzdem: Sie sitzen mit am Tisch. Der Tod, der scheinbar aus dem Nichts kommt und mitnimmt, wen er will. Das Gefühl, in unberechenbaren Zeiten zu leben. Die Gewissheit, dass unser Leben endlich ist. Sie alle sitzen mit am Tisch. Und doch haben wir keine Angst.

„Die Endlichkeit ist ja so eine Sache für sich“,  sagt mein Opa und taucht seinen Löffel in die Ofensuppe. „Schließlich gibt es immer noch die Hoffnung auf Ostern.“ Mein Opa wird nächstes Jahr neunzig. Wenn es jemand wissen muss, dann ja wohl er, denke ich, stupse das Glöckchen am Schokohasen an, sodass es leise klingelt, und beschließe, ihm zu glauben. Furchtlos und hoffnungsvoll.

 

Worte: Hanna Buiting  | Bild: Charlotte Viefhaus

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